Settembrinis ARS, Shannon Kalvars Handlungsmaschine und der Sinn von Regeln und Modellierung

Jaja heute sind wir nicht zimperlich und widmen uns den Kronjuwelen der Rollenspielthemen. Endlich habe ich mir die Zeit genommen, mich näher mit des Prussian Gamers vernünftigen Ratschlag auseinanderzusetzen und habe noch einmal in die dazugehörigen Threads geschaut. Anlass war auch wohl noch mal eine kleine Diskussion beim Polyeder-Podcast, dessen 38. Folge sich zwar mit Charakterhintergründen beschäftigt, aber die Diskussion ging dann auch um die Bedeutung von Regeln und die Inspiration durch sie. Da ist mir noch mal aufgefallen, wie schwer das Thema Regeln ist.

Das Settembrini’sche Diktum des „GM matters“

Nachdem Rollenspieltheorie Genres und Spielertypen genau untersucht hat, macht Settembrini ein interessantes Fass auf: Rollenspieltheorie muss vom Spielleiter ausgehen. Das ist ein interessanter Gedanke und es ist einiges dran. Der Spielleiter hat die meiste Macht am Spieltisch, er definiert die Struktur des Spieleabends mit seinen Überzeugungen und mit seiner Vorbereitung, die Spieler definieren den Abend durch ihre Interaktion mit dem Spielleiter und der Aktivität innerhalb der vom Spielleiter vorgegebenen Struktur.

Und wer liest überhaupt die ganzen Theorieartikel? Zum Großteil Spielleiter oder solche, die es werden wollen. Die These Settembrinis läuft auf ein Bewusstsein von der Wichtigkeit nicht der Theorien sondern allgemein der Kommunikation mit Spielleitern hinaus und das erklärt vielleicht auch die vielen aufgeladenen Konnotationen anstatt sachlicher Theoriediskussionen in der Online-Community. Das gilt natürlich auch für die Kommunikation Settembrinis und seine Leserschaft: Die These der Spielleiterzentrierung ist auch ein strategisches Argument mit dem sich der lesende Normalrezipient direkt ansprechen und in Verantwortung nehmen lässt.

Aber die These ist dennoch interessant, nicht weil wir jetzt alle wissen, dass Spielleiter wichtig sind, sondern weil sie aussagt, dass der Faktor Spielleiter wichtiger ist als System, wichtiger als Theorien und wichtiger als Spielressourcen, naja nicht ganz: eine Spielressource hebt Settembrini besonders hervor: die Spielmechanik der Handlungsmaschinen. Hervorgehoben ist sie durch ihren möglichen Einfluss auf den Spielleiter als Vorbereitungshilfe aber auch als Vehikel für die Kommunikation der schwierigen Frage: was ist ARS? Durch die Handlungsmaschine wird schließlich auch der Spielleiter vorbereitet auf das ARS.

Die Vorbereitung des Spiels mit Handlungsmaschinen
Der Duktus der Spielleiterverantwortlichkeit wird weiter aufrechterhalten: ARS (Abenteuerrollenspiel) sei nix für faule Spielleiter, sagt Settembrini, aber man darf sich schnell getröstet fühlen: Fleiß und Faulheit sind nicht die einzigen Kriterien, die Technik macht’s. Konkret: die Handlungsmaschinen. Im Grunde genommen sind Handlungsmaschinen die einfachste Art, Interaktionssysteme, Ökonomien, Spiele zu simulieren. Sie sind recht abstrakt und es gibt einige Dinge auf die zu achten ist. Handlungsmaschinen werden in dem 6-seitigen Artikel Dynamic Story Generation von Shannon Kalvar (im Signs & Portents #01) thematisiert, den ich mir im nächsten Teil genauer anschaue.

Was ist die Handlungsmaschine? Es handelt sich um einen Automaten, um gerichtete Graphen, die Knoten miteinander verbinden.

Jeder Knoten markiert einen Akteur. Akteure sind Einzelpersonen, Organisationen oder Mächte, die über einen eigenen Willen verfügen. Sie reagieren auf Beeinflussung gemäß ihrer eigenen Zielvorstellungen. Der Graph bezeichnet die Beziehung zwischen Akteuren. Das ist dabei so einfach wie möglich gehalten: die Beziehung ist positiv oder negativ.

Außerdem gibt es noch spezielle Knoten, die Ressourcen darstellen. Ressourcen sind Gegenstände, Orte oder Abstrakta, die ohne eigenen Willen sind. Sie sind passiv, und nur Gegenstand der Handlungen der Akteure. Das kann eine Goldmine sein oder eine Stadt. Die Kanten zwischen Akteuren und Ressourcen markieren den Einfluss des Akteurs auf die Ressource. Einfluss kann der Einsatz von Geld, Armeen, Beliebtheit beim Volk und anderen Ressourcen sein. Dieser Einfluss ist durch einen Wert definiert. Ungesagt aber wohl mitgedacht: Ressourcen zu kontrollieren kostet Einfluss, kann aber Einfluss von Akteuren stärken, die auf sie Zugriff haben. (Die Simulation politischer Akteure hatte ich vor kurzem schon mal angesprochen und mit Autarchs ACKS in OSR-Manier.) So kann das dann aussehen (aus Settembrinis The PrussianGamersSoundAdvice):

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Es wurde einiges zu diesen Handlungsmaschinen geschrieben. Im Grunde ist es aber nicht mehr als das vorliegende und nicht besonders kompliziert:

Die Spielergruppe existiert außerhalb der Maschine und setzt sie in Bewegung, indem sie die Akteure beeinflussen.

und

eine sich bewegende Maschine erzeugt Handlung.

Der Hauptteil des Settembrini’schen Texts sind Tipps, wie diese Netze aufgebaut werden sollten (z.B. nicht alle Akteure sollen miteinander verbunden werden – was bei einigen Akteuren auch nicht mehr praktikabel ist – oder: jeder Akteur sollte mit mindestens einem weiteren Akteur verbunden sein, usw.). Die Geschwindigkeit mit der die Informationen über Veränderungen im Netzwerk sich bewegen und ob diese von den Spielern oder anderen Akteuren wahrgenommen werden können, spielt eine besondere Rolle. (Das läuft darauf hinaus, dass jeder Akteur eine eigene Vorstellung von der Handlungsmaschine hat und darauf basierend agiert – eine Erweiterung des Modells, die das Ganze noch komplexer macht…)

Das Tolle an dem Werkzeug Handlungsmaschine ist, dass es auf einfache Weise komplexe Interaktionsmodelle und weitreichende Wirkungen ermöglicht. Wenn sich dann irgendwas im Netz ändert, kann man mit dem Finger die Fäden entlangstreichen und schauen, was passiert. So ermöglichen einem verästelte Handlungsmaschinen unvorhergesehene Ergebnisse zu erzeugen, mit anderen Worten: Konsistenz und Emergenz. Das hat weitreichende Folgen, dazu gleich mehr, aber erst noch etwas zu den Nachteilen der Handlungsmaschine, ihre Abstraktheit, genauer die der Gewichtungen der Graphen. Settembrini spricht es bereits im Text an:

Ebenso wichtig ist es, sich zu überlegen, bzw. festzulegen, wie sich der Machtzuwachs oder Verlust komkret in der Spielwelt äußert.

Das Ganze wird sogar als zweite Hofrat’sche Regel formuliert:

Hier kommt denn auch die zweite HOFRATsche Abweichung buchstäblich ins Spiel: Der Machtwert eines Akteurs sollte immer innerhalb der Spielwelt möglichst detailliert konkretisiert werden. Dies erhöht die Glaubwürdigkeit der Ergebnisse der Handlungsmaschine und potenciert damith die Spannung bei den Konflikten.

Dieser Punkt ist für Settembrini besonders wichtig und zeigt, dass er sich dieser Schwachstelle der Modellierungsmethode bewusst ist. Settembrini empfielt, die Konkretisierung der Machtwerte und Änderungen durch Spielerhandlungen und In-Game-Entwicklungen so weit zu treiben, dass sie in einem Tabellenkalkulationsprogramm im Hintergrund verwaltet werden. Obwohl gerade dieser Punkt von Settembrini besonders intensiv behandelt wurde, schien er in der Diskussion immer noch Probleme zu machen.

Die Frage ist, kann man diese Verwaltung und Abbildung von konkreten Mitteln und ihrem Einfluss konsistent und objektiv machen?

Der nächste Schritt: die Vereinigung von Rollenspiel, Handlungsmaschine und Brettspiel
Während die Beziehung noch einfach zu überlegen ist, auch wenn sie sich ändern kann, haben wohl die meisten Leser Probleme mit der abstrakten Bewertung der Einflussgraphen. Woran sie festmachen? und: wenn sie nicht objektiv ist, degeneriert das Handlungsmaschinen-ARS dann nicht zum Stimmungsspiel?

die benennung von machtwerten stellt aber nur eine scheinlösung des angerissenen problems der gewichtung von handlungen dar, da die skala fehlt. selbst der versuch dies in spielweltphänomene umzusetzen wie zum beispiel bsp-anteile oder militärische ressourcen löst dies problem nicht. denn es obliegt dem sl zu entscheiden, wie bestimmte aktionen von sc oder nsc in diese werte umzurechnen sind. dafür kann ihm eine gründliche vorbereitung nur entscheidungshilfen liefern, ohne ihm die entscheidung abzunehmen.

Settembrini antwortet auf dieses Objektivitäts-Problem:

Richtig, sonst könnte es ein Computer machen.

Aber auch Computer sind keine Lösung für das Problem. Um die Frage am Ende des letzten Teiles zu beantworten: Nein, objektiv und konsistent lässt sich der Einfluss nicht auf die Mittel abbilden. Wenn man es ganz genau nimmt, so ist der Einfluss eines Mittels ein metaphysischer Wert, der in höchstem Maße vom Einsatz des Mittels abhängt, vom Zeitpunkt und diverser kontextueller Aspekte, sowie der Wahrnehmung und Bewertung dieses Einflusses durch die Individuen und in der Öffentlichkeit. Oder mit Varys gesagt: Macht liegt dort, wo das Volk denkt, dass sie liegt, sie ist ein Trick, ein Schatten an der Wand. Und ein sehr kleiner Mann kann einen sehr großen Schatten werfen.

Dann noch kurz etwas zum Computer: Wer ein wenig Erfahrung mit Computerspielen hat, kennt den Effekt, dass selbst höchst komplexe und dadurch realistisch wirkende Spiele immer mechanistischer und unrealistischer wirken, das umso mehr man spielt und die internen Strukturen verinnerlicht. Wir haben hier sozusagen ein Problem der objektivstischen Strukturen des Computerspiels (abgesehen davon gibt es keine komplette Simulation aller Ebenen einer Realität, wie sie das P&P-RPG theoretisch leisten können muss). Dagegen gibt es nur ein Mittel: einen Spielleiter mit gutem Spielgefühl. Vielleicht kann man die Riesendiskussion Regeln vs Story/Stimmung abkürzen und die Frage auf das richtige Verhältnis beider richten. Mehr Regeln als an den meisten Tischen, aber mehr menschliche Regieanweisungen im Hintergrund als beim Computerspiel? Settembrini meint hier wohl nicht, dass wir zusammenpacken sollen und Computerspiele spielen sollen. Aber es geht in die Richtung:

Die Lösung sieht er in weiteren Spielmechanismen, die Wirtschaft, Militär usw. abbilden können. Nicht Computerspiele, aber weitere Spiele, die das Rollenspiel mit Handlungsmaschine ergänzen sollen, frei nach dem Settembrini’schen Motto:

Ich nehm alle Regeln, die ich kriegen kann.

greift Settembrini auch auf andere Spiele zu und begreift sie als Regelsysteme (ich denke wir können aus naheliegenden Gründen von eher einfachen Spielen ausgehen):

Oft hilft auch ein Brettspiel weiter, je nach Laune War Law oder eher was einfacheres.
Kommt aber alles stark auf den Realismusgrad an, den Du erreichen willst.

Was Settembrini vorschlägt ist die Verbindung des Rollenspielhobbies mit anderen Spielehobbies:

Ehrlich gesagt ist das ein eigenes Hobby, und zwar mein Hobby. Wie traurig, daß man über sowas in Deutschland mit fast niemandem mehr reden kann. Schön daß Du fragst. Am liebsten würde ich nur über sowas reden müssen. Erzähl mal, was Du vorhast, da können wir bestimmt die passenden Quellen und Brettspiele finden.

Und in der Tat es ist wirklich seltsam, dass es das kommerziell noch nicht gibt. Dabei ist es doch der Wunsch jedes Spielers auch mal in der Weltpolitik mitmischen zu wollen. Eine vollständige Simulation von Welt haben wir mit den Handlungsmaschinen und Ressourcenbewegungen auf Karten jedoch noch nicht. Zwar liefern Brettspiele schön konkrete Visualisierungen aber es stellt sich vor allem immer noch das Problem, wie die abstrakten Werte der Gewichtungen und nun auch die Spielsteine der Brettspiele interpretiert werden können. Welche Mannstärke hat ein Meeple? Dennoch ist diese Frage schon näher an der Simulation der Welt als Rollenspiele normalerweise kommen. Kann man es ihnen da vorwerfen, wenn nicht sofort alle Antworten gefunden werden können? Angesichts dessen lässt sich schon fragen: was nützt all dies?

Die Grenzen der Simulation 
Eine Mechanisierung (als Gamifizierung oder Maschinisierung), also die Modellierung von Welt ist immer eine Schaffung und Reduktion von Struktur und Komplexität. Geschaffen wird sie, weil der Spielleiter sie zuvor nur per Gusto sich drehen lässt und man je nach Definition sagen kann: hier haben wir keine Struktur. Man könnte aber auch sagen, hier haben wir besonders viel Struktur und wie im Falle der Realität kaum überschaubare Komplexität (nämlich psychische) angesichts derer einfache Spielmechanismen wie Reduktionen wirken müssen. Vor allem aber verglichen mit einer überkomplexen und nicht begreifbaren Wirklichkeit muss die Modellierung von Welt scheitern. Irgendjemand hat auf Gödel verwiesen und es fragt sich wirklich: Wie kann man das Unmodellierbare modellieren? Und wozu überhaupt?

Und wenn man die Spielwelt modelliert, wie würden fortgeschrittene Sozialwissenschaften in der Hintergrundwelt diese auffassen? Würden sie nicht auch auf die Handlungsmaschine als Diagramm kommen können? Welche Rolle hätte dieses Wissen in der Welt? Dann aber hätten sie plötzlich die Wahrheit per se gefunden, etwas, was noch keiner Wissenschaft gelungen ist und eher einer göttlichen Offenbarung gleicht – und hoffentlich nicht so viel aufwirbelt, dass diese Mechanismen danach nicht mehr gelten ;)

Der Sinn kann nicht sein, alles zu definieren, denn dies ist nicht möglich. Die Simulation von Welt ist nicht möglich, weder in der Wissenschaft noch im Spiel. Dies ist das eine Extrem und eine Utopie, die erreicht werden will aber nicht erreicht werden kann. Aber welche Vorteile hat Modellierung und wenn wir uns das andere Extrem anschauen: wo landen wir ohne Modellierung?

Der Sinn der Simulation
Handlungsmaschinen haben natürlich Vorteile. Sie ermöglichen ein strategisches Spiel a la Gleichmann: Durch ein paar verdeckte grundlegende Spielmechanismen entsteht erst die Möglichkeit ihrer Entdeckung und Ausnutzung und das ist ja auch ein großes Ziel in unserer Welt und mehr als der typische Akteur zu hoffen wagen kann. Das ganze könnte man sARS nennen, strategisches Abenteuer-Rollenspiel.

Das Spiel mit den Handlungsmaschinen führt nach Settembrini dazu, dass

es die Spieler zu schätzen wissen, daß Erfolge wirkliche Erfolge, und Ressourcen begrenzt sind. Nur dadurch kann eine angemessene Spieltiefe erreicht werden, um wahrhaft epische und mitreißende Spielabende zu erleben. 

Vor allem aber ermöglicht die Modellierung der Spielwelt Konsistenz und dadurch Immersion. Und genau dies ist das Problem der negativen Auswüchse der Spielleiterzentrierung. Die Spielleiterzentrierung birgt nämlich immer das Problem der Spielleiteregozentrik. Der Hofrat wendet sich gegen das Rollenspiel als Hofstaat. Aber es gibt bereits schwächere Formen in denen der Spieler dennoch feststellen kann, mit seiner eigenen Person auf der Spielerebene auf den Erfolg des Spiels mehr Einfluss zu haben als mit seinem Charakter. In dieser psychischen Interaktion treten Effekte auf wie das „Freundin-des-Spielleiters-Syndrom“ usw. Die Immersion wird bereits gestört, wenn auffällt, dass der Spielleiter nicht nur die Welt und Möglichkeit für Abenteuer positiv und kreativ erschafft, sondern sie auch begrenzt, und weil dies auch sehr stark unbewusst geschieht, dies nicht bemerkt.

Die Handlungsmaschinen sollen davor schützen. Sie vereinfachen nicht nur die Vorbereitung durch ihre überschaubare Darstellung, sondern sie bieten dem Spielleiter einen Gegenpol zu einer Strukturlosigkeit bzw. psychischen Überstrukturierung (je nachdem, wie man es sehen will), Anhaltspunkte für unvorhergesehene Entwicklungen. Sie leisten eine kreative Selbst-Irritation des Spielleiters, in der seiner psychischen Struktur etwas entgegengesetzt wird. Die Idee ist, dass die Interaktion mit dem Spielleiter und dadurch mit der spielleitervermittelten Welt entpersonalisiert, entspielleitert und versachlicht wird durch Spielmechanismen.

Was bei mir jahrelang implizit und stellenweise auch explizit Fig. 4: Beispiel einer Handlungsmaschine ablief, war das ständige Fortschreiben der fiktiven Spielwelt aus den Handlungen der Spieler und der N.Sp.-Akteursgruppen. [hervorgehoben von mir]

Settembrini sagt, dass Konsistenz ohne Handlungsmaschinen nicht erreichbar sei. Mit dieser Konsistenz hängt aber stark ein Inspirationseffekt zusammen, eine Emergenz. Der Sinn von Regeln liegt nicht nur in Simulation und der Sinn von beiden liegt auch in der Inspiration. Tunnels & Trolls macht das zum Beispiel gut durch die Stunts bei den Kampfregeln. Wenn ARS im Gegensatz zum Stimmungsspiel gesehen wird, dann ist es das ARS in dem nach Emergenz gesucht wird und das Stimmungsspiel, in dem der Spielleiter nicht mehr versucht, sich selbst zu überraschen, weil er doch schon alles kennt und nur darauf bedacht ist, die richtige Stimmung zu erzeugen und zu vermitteln. Dahinter steht wohl die Annahme: Ein Spielleiter, der sich selbst nicht überraschen kann ist ein langweiliger Spielleiter, der ein langweiliges Spiel produziert. Und machen wir uns nichts vor: Handlungsmaschinen meinen Überraschungen im ganz großen Stil! Mit Settembrini:

Ebenso haben einzelne Subsysteme […] für viel Spannung und sektorweite, unvorhergesehene Wendungen gesorgt. Und darum geht es beim Abenteuerrollenspiel. 

Es geht also bei der Modellierung um einen Bereich zwischen zwei Extremen. Settembrini will mehr in Richtung mehr Regeln und weniger Spielleiterwillkür. Ganz so stimmts natürlich wieder nicht, denn an der Macht des Spielleiters ist nicht zu rütteln. Er muss den Sachverhalt erst erkennen, es als Problem erkennen und aktiv werden bei dieser schwierigen Situation der Psychologisierung der Spielwelt durch den Spielleiter.

Im nächsten Teil schaue ich mir noch mal genauer Shannon Kalvars Artikel an.

EDIT: Schaubild eingefügt.

6 Antworten to “Settembrinis ARS, Shannon Kalvars Handlungsmaschine und der Sinn von Regeln und Modellierung”

  1. […] dieser Idee noch weit entfernt ist, hört der Rollenspieler hier etwas anderes trapsen: er denkt an Settembrini, die Handlungsmaschine und die Sandbox (danke an Craulabesh für diesen schönen Einblick) und muss und darf gleichzeitig für sich […]

  2. Nee :) im Podcast ging es um Charaktererschaffung, aber ich hab in der Diskussion noch über moderne Charakterblätter gelästert (ich dachte so an 5-Seiten-Dinger die auch nicht mehr Konsistenz bringen), dann stellte Markus fest, dass Storygamer und OSRler auch nicht immer auf Regelballast stehen und plötzlich ging es um Regeln. Ich führte noch mal OD&D als Beispiel für ruleslightness und den Ursprung der OSR an, ein Zitat von dir fiel auch schon, der Begriff „emergent storytelling“ wurde von Markus eingeworfen und für mich klang das nach Sandbox und, wie ich dann feststellen durfte: nach Handlungsmaschinen.
    Also das Ganze war dann eher Inspiration, es gärte schon zuvor und brach sich Bahn.
    Zu deinen Beispielen: sie zeigen ganz gut, dass die Handlungsmaschinen nicht nur 1. komplexe Beziehungen verständlich darstellen, 2. den „Schmetterlingseffekt“ zu simulieren helfen (Konsistenz, Emergenz), sondern 3. auch erst die Möglichkeit schaffen, dieses Wissen oder Bestandteile davon sinnvoll In-Game zu verwenden für die Plots: Bündnissysteme, Spionage, Verrat, Versuche indirekt zu schaden oder zu helfen, das kann dann alles ineinander greifen.

  3. Settembrini Says:

    Ach ja und ganz wichtig zum Thema fortgesachrittene Sozialwissenschaften in den Spielwelten: In der Travellerkampagne geht es ja u. A. um Psychohistoriker! Genaugenommen um zwei rivalisierende Gruppen. Es gibt also tatsächlich zwei Gruppen die Kenntnisse meinen zu haben von der „Maschine“ und beide daran rummanipulieren. Und beide haben natürlich innerhalb der Spielwelt nur ein unvollständiges Modell gegenüber dem des Spielleiters. Das Modell ist aber innerhalb der Spielwelt bedeutend komplexer usw. usf.
    Ach ja, und dann sind da noch die Hiver.
    Bei Battletech ist das einfacher, weil normalerweise nur eine Partei, Comstar, über genug Kenne verfügt rumzumanipulieren. Bei D&D gibt es zuviele Götter und Dämonen um so große Würfe zu machen, aber da sind die ganzen Zeitreisen und Lendore und co usw. usf.
    Es bleibt spannend!

  4. Settembrini Says:

    Äh noch eine Frage: geht es in dem Podcast wirklich darum oder warst Du nur inspiriert?

  5. I stand corrected und willkommen auf meinem Blog. Ich danke dir für Texte, bei denen sich eine genauere Lektüre so lohnt. Ohne solche Texte wäre ich jetzt nicht hier und nicht mehr am Rollenspielen.

  6. Settembrini Says:

    Das es sowas kommerziell nicht gibt ist nicht ganz richtig. Traveller, Mechkrieger, Renegade Legions und BECMI-Mystara haben ausrücklich alle nötigen Subsysteme und Brettspiele auf unterschiedlichen Maßstabsebenen. Naja Mechkrieger, da fehlen die wirtschaftlichen Aspekte im mittleren, planetaren Bereich.

    Andere Welten haben Teile und Versuche, selbst DSA probiert es immer wieder, hatte sogar mal spekulative Handelsregeln, ist natürlich alles ausgebremst worden…
    Armageddon wurde bestimmt auch in den anderen Threads erwähnt.

    Danke fürs genaue Lesen übrigens.

    Das mit dem Computer habe ich eben genau so gemeint, daß der größte Vorteil ist, daß ein Mensch als SL eine Simulation schaffen kann, wie sie kein Computer fertig bringt, solange es keine KI gibt. Spielleiten ist eine der wenigen, ganz eindeutig KI-vollständigen Spieltätigkeiten.
    Deswegen, und wegen Gödel/Kant muß der SL immer für Gott einspringen, so wie wir es für uns selber auch dauernd tun.

Sprich, Freund, und tritt ein!