Der Magier, der Priester und der Philosoph

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Hier ein Thema, mit dem ich mich im Rahmen meines Hellenismus-Dungeoneerings, der Katabasis, der Unterweltfahrt, beschäftigt habe und zum Karnevalsthema von Nandurion gerne noch etwas ausgebaut habe. (Hier zur Diskussionsseite.) Er kann besonders gut auch im Zusammenhang mit dem Artikel des geschätzten RPGGnosis zum gleichen Thema gelesen werden: Magie, Wissenschaft und der “sense of wonder”.

Die Trennbarkeit von Wissenschaft und Magie
Seit jeher waren viele Bereiche des Alltags auch von magischen Handlungen erfüllt und die Grenze zur Religion aber auch Philosophie verschwamm oft. So glaubten viele Wissenschaftler und Philosophen an Dinge, die wir heute als Aberglauben bezeichnen würde. Und auch die Skeptiker schlechthin, die Epikureer, glaubten nicht daran, dass es keine Götter gebe, sondern nur daran, dass diese auch aus Atomen gemacht sind und sich nicht für die Menschen interessieren. Atheismus ist das noch nicht, aber es ist der Vorbote einer wissenschaftlichen, weil positivistischen Haltung. Und auch heute wird ein Materialismus als Haltung gegen (wissenschaftlichen) Aberglauben hochgehalten, aber das ist natürlich auch nicht so einfach. So wissen wir heute natürlich auch, dass es mehr gibt als bloßen Positivismus, bloße Materie, zum Beispiel Gefühle, Liebe, Sinn und den Spaß am Rollenspiel. Auch heute wissen wir, dass es mehr gibt als Wissenschaft erfassen kann oder anders formuliert: dass sich nicht alles wissenschaftlich erfassen lässt – auch wenn das zwischendurch ein wenig vergessen wurde. Der Preis der Wissenschaft ist ihre Eingeschränktheit und was sich als All-Erklärung ausgibt ist Religion oder Ideologie. In der Antike hat man allerdings noch umfassender gedacht. Deshalb waren Wissenschaften auch magisch, besonders zum Beispiel die Astronomie/Astrologie (die noch nicht unterschieden waren) und die Alchemie, aber auch in der Medizin hat man gedacht, dass Dämonen für Krankheiten verantwortlich sind und, dass man Menschen gesundexorzieren kann (was Jesus dann auch getan haben soll).

Für die Menschen damals war die Welt magisch, aber dennoch war Magie etwas schlechtes, und der Magier war nicht angesehen. Ist das nicht widersprüchlich und woran liegt das? Auch wenn die Menschen nicht sauber alles Natürliche vom Übernatürlichen trennen können (und das kann keine Gesellschaft auch heute nicht, auch wir haben unsere Aberglauben und kulturellen Irrationalitäten, die wir nicht sehen), so weiß der gebildete Mensch natürlich um die Macht, die der Glaube an Magie entfalten kann. Man sieht es allein daran, wie beliebt Magie beim Volk ist, bei Arm und Reich, Klein und Groß. Und wer das genauer betrachtet, erkennt oft, dass Magier die Leichtgläubigkeit und Angst der Menschen oft genug ausnutzen und mit psychologischen Tricks das Geld aus der Tasche ziehen. Das allein reicht schon um das gespaltene Verhältnis früherer Gesellschaften zur Magie zu begründen. Ab den 3 Jahrhundert nach Christus kommt dann der Alleinvertretungsanspruch der Kirche, die Magie nicht abstreitet, sondern als was böses begreift, für das sich die Kirche als das einzige Schutzmittel inszeniert. (EDIT: genauer gesagt: der Alleinvertretungsanspruch war schon immer da, man soll keine anderen Götter haben im Christentum, aber im 3. Jhd. werden langsam auch gebildete Bürger und Beamte im Westen Christen, ab dem 4. Jhd. setzt sich die Kirche komplett durch und definiert sich als alleinige Schutzmacht gegen Magie, s. u. in den Kommentaren.)

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Was ist Magie?
Eigentlich ist das die Kernfrage, eine Frage, die so alt ist wie die Schrift und vielleicht wie die Sprache (und die Fragen). Der Hellenismus ist eine besonders spannende Zeit für diese Frage. Hier kommen die Griechen nach Ägypten – traditionell neben Persien (und seinen Chaldäern) dem Land der Zauberei – und beginnen die ganzen religiösen und magischen Traditionen in der Bibliothek von Alexandria zu sammeln und zu systematisieren. Wenn heute auf Astro-TV Horoskope verwendet werden, dann weil die Griechen das damals aus Persien übernommen haben und für Einzelpersonen auf den Geburtszeitpunkt ausgelegt haben. Wie sieht es 300 vor Christus aus mit der Magie?

Die Griechen kennen eine Reihe von Begriffen im Zusammenhang mit Magie: Ousia sind magische Objekte, die mit physis aufgeladen sind. Periergia und Polypragmosyne ist das unangebrachte Interesse an Magie. Poppysmos bezeichnet saugende, schmatzende und Geräuche, die der Magier oder Priester bei Ritualen macht, Ololygmos bezeichnet ein Heulen. Onomata asema sind bedeutungslose, magische Wörter, ebenso wie ephesia grammata. Mystes bezeichnet den Initiaten, Mystagogos einen Initiationsleiter.

Eine für die magischen Vorstellungen wichtige Grundannahme in der Zeit ist, dass überall eine magische Kraft wirkt, die kanalisiert werden kann: Die mittelalterlichen Bezeichnungen sind bekannt, 300 vor Christus nannte man dies allerdings die dynamis, charis oder arete. Diese kann wiederum als göttlicher Wille oder als der von Dämonen oder Geister der Verstorbenen verstanden werden.

Im Unterschied zu Religion (die meist als gut gedacht ist, obwohl auch gerade die griechischen Götter für ihre Launenhaftigkeit bekannt sind) ist Magie verboten und als böse gedacht. Der Magier ist nicht geachtet, er kann sogar der Gottlosigkeit, asebeia, angeklagt und hingerichtet werden. Das Böse wird dabei anhand des Verhältnisses zu den übernatürlichen Entitäten und der oben genannten dynamis festgemacht. Dem Zauberer wird vorgeworfen, dass er versucht, die Mächte auszunutzen und ihnen zu drohen oder sie zu überreden – die Zauberei ist sozusagen eine Sophistik des Übernatürlichen. Hier findet sich das Motiv der Hybris wieder. Hier liegt die besondere Gottlosigkeit des Magiers.

Der Priester wird dagegen natürlich nicht als gottlos betrachtet. Religion soll allgemein zu demütigem Verhalten einladen. Fakt ist jedoch, dass diese Einteilung nicht so einfach ist. Das Gegenteil von Demut ist hybris, der Hochmut, und er ist für die Griechen eine schwere Verfehlung, so sehr, dass sogar Erfolg als Vorbote des Unheils gesehen werden kann, hier von Herodot beschrieben, und hier von Schiller in etwas schöner. Hochmut war das Grundproblem der griechischen Helden (und auch einiger realer Griechen) in den Tragödien und der griechischen Frevler zugleich (der allerschlimmste ist Ixion (podcast)). Und so wundert es nicht, dass Hochmut auch in der magischen Tradition als schädlich aufgefasst wird. Der Prahler lenkt den neidenden, bösen Blick auf sich und Amulette sollen genau davor schützen. Nach anderer Auffassung sind es wiederum die Magier selbst, die den neidvollen, bösen Blick auf andere richten.

Das alles sind übrigens keine rein theoretischen Gedanken, aber wir in Deutschland haben ein wenig den Kontakt zu dieser Geschichte verloren, vielleicht wurde er uns auch durch New Age-Ideen ersetzt. Meine Freundin ist Türkin und sie kenn noch die Hand der Fatima und das Glück bringende Augenamulett.

Tatsache ist: wer als Magier begriffen wird, wird oft von anderen Faktoren bestimmt. Diese definieren erst, ob das Verhalten als gottlos wahrgenommen wird oder nicht. Es handelt sich also um Perspektiven, ob jemand Priester und Wunderwirker (thaumatourgoi) genannt wird oder Magier. Diese wird mehr vom Glauben bestimmt, sagt mehr über denjenigen aus, der die Bezeichnung verwendet, als dass sie rein semantisch (und damit objektiv wäre).

Gut zu erkennen ist das beim Philosophen. Hier ist die Lage etwas anders als beim Priester. Der Philosoph ist für die Staatsordnung, wie der Priester auch, nicht unwichtig. Seine Lehren stärken die Grundlagen für öffentliche Diskurse und damit für Demokratie. Dennoch ist er nicht so staatstragend wie der Priester. Dies ist vielleicht ein Grund, warum viele Philosophen auch ethische Bereiche thematisieren und sich ähnlich wie Priester asketisch inszenieren und sich von den Sophisten distanzieren, die für ihre Lehren Geld nehmen (aber auch nicht unwichtig sind und einen viel zu schlechten Ruf haben, irgendwovon muss der Lehrer nun mal leben, wenn er nicht reich geboren ist wie einiger Athener Philosophen). In der Praxis laufen gerade Philosophen Gefahr, aus politischen Gründen als Magier bezeichnet werden. Ausschlaggebend könnte die Arroganz oder Hybris sein, die gerade ihre (öffentlich gedemütigten) Opfer mit ihrer Redegewalt verbinden. Gottlosigkeit kann hier besonders leicht unterstellt werden, weil sich viele Philosophien auch mit Magie beschäftigen. Zum einen liegt es in ihrem Aufgabenbereich, herauszufinden, ob etwas dran ist. Besonders im Platonismus wird jedoch auch von der Existenz von Dämonen ausgegangen.

Andererseits können gerade gebildete „Magier“ und Wahrsager sich in eine priesterliche oder philosophische Tradition stellen. Als Magier und Scharlatane werden deshalb wohl eher die entsprechenden Figuren aus unteren Schichten bezeichnet, in denen mit der Magie Handel getrieben wird, vielleicht nicht so geschickt wie in gebildeteren Schichten in denen die Magie oder Wahrsagerei aber auch einen Einfluss hat. Bezeichnenderweise war ein Standardargument des genervten, reichen Bürgers gegen den dahergelaufenen Magier, der gerade mal wieder das Rezept für ein glückliches Nachleben oder erfolgreiches Leben verkaufen will, dass er es doch auf sich selbst anwenden soll oder warum er seine Existenz dann noch im Diesseits fortsetze. Das Böse ist also an einer Schicht- und Bildungszugehörigkeit festgemacht. Der Unterschicht-Magier wird als Scharlatan begriffen, der Oberschicht-Magier als staatstragender Priester wahrgenommen (und dazu passt, dass Priesterämter eben auch nur an Bürger – und damit ist schon eine Oberschicht gemeint – verteilt werden).

So verwundert es nicht, dass auch nicht akzeptierte, fremde Religionen oder ihre Bestandteile wie Rituale, Formeln oder Kultobjekte als Magie oder magisch begriffen werden. Es kann sich dabei zum einen um Religionen Fremder handeln, die selbst erst einmal nicht einer griechischen, bürgerlichen Oberschicht angehören und vielleicht gerade in einer abergläubigen Unterschicht auch große Wirkung zeigt. Der Begriff Magoi bezeichnet die Priester im persischen Zoroastrismus, die Griechen haben ihn dann zum „Magier“ gemacht. Zum anderen können es auch Überbleibsel älterer Kulte sein, die sich in der ländlichen Urbevölkerung vor dem olympischen Glauben und auch hier wieder: nicht in der Oberschicht, erhalten haben, so wird heute die wunderschöne Hexe Kirke (podcast) (vom Wort „bezirzen“) interpretiert.

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Die Göttin der Magie: Hekate. Wie viele der Götter, die mit Magie verbunden werden ist sie chthonisch, also „unterirdisch“. Opfer an chthonische Götter werden in der Nacht dargebracht und in Gruben und Höhlen. Chthonische Götter sind für ihren Kontakt zu den Seelen Verstorbener bekannt, aber auch für ihre lebensspendenden Aspekte und den Fruchtbarkeitskult. Die Olymper dagegen vertreten eher die hohe Religion. Orpheus, mit Pythagoras und Empedokles zählt er zu den frühen griechischen Zauberern, hat seine Zauberkraft der Sage nach aus seinem Besuch in der Unterwelt mitgebracht, wo er viele Dinge von den chthonischen Göttern gelernt hat.

Exkurs: Das Clarksche Gesetz oder: die Götter müssen verrückt sein!
Technologie, die man nicht versteht, kann als Magie begriffen werden. Das sagt natürlich noch nicht so viel, wenn man bedenkt, dass man die Naturgesetze auch nicht richtig versteht, man hat lediglich einen Weg gefunden, sie zu beschreiben. Streng genommen verstehen wir nicht, was passiert, wenn wir den Lichtschalter betätigen, trotzdem nehmen wir es nicht als Magie wahr und schon gar nicht als Wunder. Seit der Zeit der Universalgelehrten ist es nicht mehr möglich, das eine Person die Welt im Ganzen versteht. Was Clarke meint ist bestimmte Sci-Fi-Technologie und nicht jede Form von Sci-Fi-Technologie. Unsere Technologie wirkt auf uns nicht magisch (wohl aber auf primitivere Kulturen, dazu kommen wir gleich) – auch wenn wir nicht unbedingt rational mit ihr umgehen, wie auch RPGGnosis feststellt, z.B. wenn wir unseren Computer beschimpfen.

Hilfreich ist es vielleicht eher zu schauen, nicht wann Technologie als Magie empfunden wird, sondern als Wunder. RPGGnosis hat bereits auf die Funktion des „sense of wonder“ hingewiesen, die Technologie einnehmen kann. Ich will hinzufügen: besonders bei Star Wars, weniger bei Traveller.

Das Magische kann sich als Wunder (Semeia, Zeichen) zeigen, zum Beispiel in der Medizin bei der wunderhaften Heilung. Das Wunder ist nicht nur magisch, sondern auch überraschend. (Ein Bestandteil ist to paradoxon, das „Außergewöhnliche“ im Sinne des Überraschenden.) Da man bereits das Magische als Überraschendes definieren könnte, könnte man das Wunder als Steigerung des Magischen sehen. Magisch erscheint genau die Erfahrung, die zu einem bestimmten Grade überraschend ist wie ein Wunder. (Um genau zu sein ist ein Wunder auch spontan, während Magie lange, harte Arbeit sein kann, aber das ist jetzt erst mal nebensächlich.) Technologie kann so wirken, muss es aber nicht. Sie wirkt überraschend, wenn ihre Effekte nicht zuverlässig reproduziert werden können oder wenn sie überraschend eingeführt wird, dann kann sie wie ein Wunder wirken. Ein Beispiel sind Cargo-Kulte. Wenn Technologie im Alltag benutzt wird und immer oder häufig genug wirkt, dann dürfte sie irgendwann nicht mehr unbedingt magisch wirken, weil sie nicht mehr überrascht – auch wenn sie nicht an sich verstanden oder sie selbst nicht reproduziert werden kann (solange ihre Effekte reproduziert werden können). Sie ist in dem Fall nichts anderes als eine Black Box. Viele Zauber in Computerrollenspielen wirken deshalb überhaupt nicht magisch, weil die Technik dahinter, ihre Regeln offen sind und dadurch sozusagen profan wirken bzw. das Gegenteil von esoterisch oder arkan sind. Ich würde also sagen, es müsste in etwa heißen: Jede hinreichend fortschrittliche Technologie, deren Einführung oder Verwendung in einem besonderen Maße überraschend ist, ist von Magie nicht zu unterscheiden.

Mein Punkt ist nun, dass mir einige Rollenspiele ziemlich unrealistisch erscheinen in ihrer Behandlung von Wissenschaft und Religion, gerade weil sie beide trennen, obwohl in ihnen wiederum Religion und Magie wie Wissenschaft funktioniert. Das ärgert mich sehr, weil Glaube wie in unserer Welt oft nicht mehr möglich ist. Ebenso ist es oft nicht möglich oder von nicht nur gesellschaftlichen sondern auch systemtechnischen Nachteil, einen ungläubigen Menschen, einen Skeptiker zu spielen. Im Gegenzug scheinen nun überall religiöse Fanatiker zu entstehen. Bye bye sympathischer Low Fantasy Schurke/Barbar, der der Zivilisation und ihrer Zaubere gepflegt den Mittelfinger zeigt, hello wahnhafter Paladin! Damit haben wir riesige Verschiebungen und Veränderungen der Gesellschaft, die, wie ich finde, oft nicht ganz durchdacht sind. Andere Effekte sind bei RPGGnosis beschrieben, die in einigen Rollenspielen auch nicht wirklich durchdacht sind – wohl aber zum Beispiel in Planescape Torment?

Wie behandle ich das in meinem Setting? Nun das startet erst mal einer Welt, die unserer Historie nicht widerspricht und kann davon beliebig abweichen. Deshalb sind die obengenannten Ausführungen wichtig, um die Rolle von Magie in der Welt zu verstehen. Jetzt gibt es Dungeons, Höhlen, Plutonia und Charonia, die offensichtlich magische Orte sind – auf eine spielmechanisch relevante Weise. Diese Orte können nicht von jedem und nicht jederzeit aufgefunden werden und noch sind sie nicht als Phänomen in der Welt bekannt – obwohl immer mehr Mächte auf sie aufmerksam werden und es nur noch als eine Frage der Zeit erscheint, bis auch die Diadochen sie genauer untersuchen. Erst in diesen Dungeons beginnt die Magie der Spielercharaktere zu wirken – wenn sie Magier sind oder magische Artefakte finden. Es handelt sich also um Dungeons as Mythic Underworlds im Sinne Philotomys (hier die gesamten Musings als PDF), surrealistische Sandbox-Welten, die auf Dungeoneering ausgelegt sind und in diesem Fall: vollgestopft mit Schatten, die darauf warten, in die Unterwelt zu dürfen – die meistens auch Gold bei sich tragen und sich normalerweise bereits von der Präsenz der Charaktere angegriffen fühlen.

(Außerdem spiele ich mit dem Gedanken, da irgendwann mal Doctor Who mit seiner Zeitmaschine aufschlagen zu lassen. Im Sinne der Pompeii-Episode. Einfach nur, weil die Serie so gut ist – allons-y!)

EDIT: Beispiel für Aberglauben in der Medizin oben angeführt. Ein paar Bilder eingefügt mit Erklärungstext.

18 Antworten to “Der Magier, der Priester und der Philosoph”

  1. […] Kerbe schlägt Craulabesh, der in seinem ebenso umfassenden Beitrag mit dem vielsagenden Titel Der Magier, der Priester und der Philosoph die rollenspielerisch scheinbar unvereinbaren Begriffe Zauberei, Religion und Wissenschaft etwas […]

  2. Ah ok, dann verstehe ich deinen Begriff besser.

    1. Ich glaub er entspricht weitgehend meinem Begriff, aber zum Beispiel ohne der Wertung, aber mit all den Argumenten, die bei der Wertung herangezogen werden.

    Z.B. Magie ist ein unpersönlicher Zugang zum Übernatürlichen, der

    „die zentralen Fragen/Bewandtnisse der menschlichen Existenz nicht tangiert. Begrifflichkeiten wir Erlösung, Gerechtigkeit, Gut & Böse oder Leid sind für ein magisches Deutungssystem irrelevant bzw. speisen sich nicht aus diesem selbst. Infolge kommt Magie am ehesten einer »Naturwissenschaft des Übernatürlichen«“

    Dies ist eine Annahme, die oft an Magie gerichtet wird.

    Du wertest nun nicht. Ich denke, es ist auch sehr modern, die Wertungen nicht mitzumachen (und evtl. eurozentristisch?), dennoch scheinen sie historisch gemacht worden zu sein. Ich behaupte, dass das in religiösen Gesellschaften aber schon immer ein Affront ist, abgewiesen und abgewertet wird, weil eine magische Position als Profanisierung des Übernatürlichen verstanden werden kann, was die Leute trifft. Und das sind Gesellschaften, in denen der Herrscher von Gottes Gnaden eingesetzt ist und das Heil des Staates von den gemeinsamen Opfern und Diensten abhängig ist. Duldet man, dass das nicht ordentlich abläuft, zieht man evtl. den Zorn der Götter auf sich. Deswegen kann Gottlosigkeit auf alle abfallen.

    Fakt ist aber auch, dass Magie, genauer betrachtet, auch solche Fragen angeht (also nicht nur bei den Mysterienkulten und Kybele-Kulten) nehmen wir zum Beispiel die Alchemie, da geht es um Selbsterkenntnis. -Verfeinerung und Erlösung, ebenso im Gnostizismus, in der Theurgie entweder durch Askese, Schlafentzug, Tanz usw. evtl mit Drogen, um die unio mystica zu erreichen. Erlösung, das Gute, aber auch das Böse (zum Beispiel bei Rache) sollten auch durch Flüche und Amulette herbeigeführt werden.

    2. Was ich jetzt noch gemacht habe, sind einige Deutungsmöglichkeiten anzuführen, die erklären, wie Magie entsteht (genauer: die Betrachtung, das etwas Magie sei): Die Ursprünge liegen in fremden und vergessenen Religionen, in anderen Kulten. Zum einen sind es fremde Priester, bei denen auf den ersten Blick nur die wirkmächtigen Rituale gesehen werden (z. B. bei den Magoi), oder es sind wirklich wissenschaftliche Systematisierungen wie in Alexandria ab dem 3. Jhd. v. Chr. und auch hier werden oft die Rituale gesehen, weil es Systematisierungen fremder Wissenschaftler sind.
    Es ist also ganz natürlich, dass alte, fremde (oder geheime Religionen wie bei den Mysterienkulten) als magisch wahrgenommen werden im Sinne von ritualistisch und metaphysisch entleert, weil eben die komplexe Metaphysik nicht beobachtet werden kann, wohl aber Bestandteile der fremden Rituale. Es ist also eine Frage der Perspektive.
    Dennoch haben diese als Magie aufgefassten Rituale als Bestandteile anderer Kulte und Religionen Bedeutungen. Der Zoroastrismus und die ägyptische Religion hat ja Bedeutungen, trotzdem mögen die Gebete für Uneingeweihte wie Zauber klingen, die Götternamen wie geheime Zauberformeln. Wie gesagt, die Juden wurden in der Antike als Volk von Magiern verstanden was nichts anderes heißt, als dass ihre Religion nicht verstanden wurde, oder eben nur positivistisch/ritualistisch.

    3. „Man denke in diesem Zusammenhang nur an das afrikanische Phänomen der Regenmacher, Regensteine usw., in welchem Magie deutlich im Sinne der Gemeinschaft in Erscheinung tritt.“

    Und das ist vermutlich der Punkt, warum Magie eben doch auch immer mal wieder vorkam und nicht sofort und ständig unter Todesstrafe stand. Sie wurde praktiziert und evtl. oft genug auch gesühnt, manchmal verboten, war jedoch immer ein Unsicherheitsfaktor.

    4. Aber ich denke wir haben durch die Diskussion das Phänomen noch etwas differenzierter hinbekommen, als ich es aus meinen Quellen entnommen habe und können vielleicht besser unterscheiden:
    1. Religion
    2. religiöse Rituale
    3. magische Rituale (auch fremder oder vergessener religiöser Rituale)
    3.1 Vorwurf: keinen Bezug zu den Göttern im Sinne eines rein formelhaften, vllt. wissenschaftlichen Ritualismus, Gottlosigkeit
    3.2 Vorwurf: kein Bezug zu der Gemeinschaft, parasitäre Abzocke

  3. Hallo,
    erst einmal wird mir im Rahmen der Diskussion mal wieder deutlich, dass es Themen gibt zu denen man entweder Bücher schreiben muss um mögliche Missverständnisse und Unklarheiten auszuschließen oder das Ganze im persönlichen Gespräch diskutiert, wo Nachfragen jederzeit möglich sind.

    @ Settembrini: Jo, gerade hinsichtlich von DSA – wo die Anhängerschaft besonders engagiert und verzweifelt versucht die höheren Mysterien (des Regelwerks?) zu ergründen – trifft dies zu.

    @craulabesh: Um die Sache zu vereinfachen, schildere ich einfach mal ganz grob wie ich die Sache sehe:

    Religionen sind Deutungssysteme, welche auf dem Übernatürlichen basieren und auf das Übernatürliche rekurrieren, wobei sie sich mit den zentralen Fragen/Bewandtnissen des menschlichen Seins (Wo komm ich her? Wo geh ich hin? etc.) beschäftigen. Die Existenz von Gott/Göttern usw. kann zur Klärung jener Fragen usw. essentiell sein (wie bei den meisten Religionen), muss dies jedoch nicht zwangsläufig (z.B. beim Buddhismus).

    Magie hingegen ist zwar zweifelsfrei ein Deutungssystem, welches auf dem Übernatürlichen basieren und auf das Übernatürliche rekurriert, jedoch die zentralen Fragen/Bewandtnisse der menschlichen Existenz nicht tangiert. Begrifflichkeiten wir Erlösung, Gerechtigkeit, Gut & Böse oder Leid sind für ein magisches Deutungssystem irrelevant bzw. speisen sich nicht aus diesem selbst. Infolge kommt Magie am ehesten einer „Naturwissenschaft des Übernatürlichen“ gleich, welche das Übernatürliche kategorisiert, untersucht und Gesetzmäßigkeiten formuliert. Ähnlich wie die Naturwissenschaft kann dies zum reinen Selbstzweck geschehen oder aber um aus den gewonnenen Erkenntnissen Nutzen zu ziehen. Die Existenz von Gott/Göttern ist für die Magie nur insofern relevant, dass die Götter entweder als Bringer, Entdecker oder Schöpfer der selbigen angesehen werden oder als Inbegriff des vollendeten Zauberwirkers, den es nachzuahmen gilt. (Mir ist in diesem Zusammenhang keine magische „Spielart“ bekannt, welche keine Götter etc. in ihre Praktiken einbindet – aber ich bin auch kein Okkultismus-Experte).

    Wie ausgreprägt Magie und Religion letztendlich verknüpft sind, variiert stark. So gibt es Religionen in denen beides Hand in Hand geht. Ein klassischer Fall hiervon ist Voodoo. (ACHTUNG! Das bedeutet nicht, dass ich die religiösen Riten des Voodoo „als Magie abwerte“, sondern nur, dass Zauberei ein fester Bestandteil der Religion Voodoo ist, aber nicht, dass alles Riten des Voodoo magisch sind.) * Gleichermaßen existiert auch das komplette Gegenteil, z.B. im Christentum.

    Es muss jedoch in diesem Zusammenhang bedacht werden, dass magische oder religiöse „Spezialisten“ eher über klare Definitionen und Trennungsansätze verfügen, als die restliche Bevölkerung. Infolge mag in der breiten Bevölkerung etwas ähnlich erscheinen, was jedoch nicht ähnlich ist: „When a Catholic wears a Saint Christopher’s medal to ensure a safe journey, that is not magic because the power of the medal is attributed to the patron saint whose powers, in turn, are granted by a God. […] The astrological conclusion that tomorrow is not an auspicious day for travel, for example , is not a message from a God but a calculation concerning the location of heavenly bodies relative to one’s birth date.“ (Rodney Stark). Wie bereits erwähnt, ist das eine somit an Glauben geknüpft – Ruth Benedict nannte dies „[a] personal relation with the supernatural“ – während das andere das Ergebnis einer „Naturwissenschaft des Übernatürlichen“ – „[a] mechanicstic manipulation of the impersonal“ ist.

    Wie wird Magie und Religion nun aber bewertet? Das variiert gleichermaßen stark durch die Geschichte hindurch und ist maßgeblich von der Kultur (und damit auch von der vorherrschenden Religion) abhängig. Dass Magie vornehmlich vor der Antike positiv angesehen war und erst seit der Romantik wieder positiv betrachtet wurde, würde ich so nicht unterschreiben. Dieser Ansatz erscheint mir (ungeachtet einige Ungereimtheiten allein für die Zeit des Mittelalters) sehr eurozentriert zu sein und den asiatischen Kulturkreis usw. außer Acht zu lassen. Auch würde ich in diesem Zusammenhang nicht die Gleichung aufmachen wollen: Religion hui, Magie pfui. Man mag Magie (zu Recht) zuschreiben, dass sie „das Übernatürliche als Selbstzweck und reine Machtquelle [sieht]“, aber die impliziert noch nicht, dass Magie egoistisch und gesellschaftsschädigend ist. Man denke in diesem Zusammenhang nur an das afrikanische Phänomen der Regenmacher, Regensteine usw., in welchem Magie deutlich im Sinne der Gemeinschaft in Erscheinung tritt. Magie wird somit nur als böse wahrgenommen, wenn die religiösen Überzeugungen der Zeit sie als etwas Negatives ansehen, die Macht der Magier als unberechenbar wahrgenommen wird und somit gesellschaftsgefährdend oder die Taten der Magier „böse“ sind.**

    mfg
    Cloudfire

    ——-
    *In diesem Punkt scheinst du mich zuvor gnadenlos falsch verstanden zu haben. Es handelte es sich hierbei folglich nicht um einen „religiösen Triumphalismus“, außer man vertritt die Ansicht, dass Religionen die eine engere Verknüpfung mit Magie eingehen, denen unterlegen sind, die keine Magie kennen bzw. diese negativ betrachten.

    ** Da Religion gemeinhin zu den anthropologischen Grundkonstanten gezählt wird, dürfte es schwierig werden eine Gesellschaft zu finden, die Religion verdammt und Magie gut heißt. Dementsprechend sollte man auch vorsichtig mit der Aussage einer „säkularen“ Welt sein. So reicht ein Blick auf den Religionsmonitor der Bertelsmannsstiftung (http://www.bertelsmann-stiftung.de/cps/rde/xchg/bst/hs.xsl/nachrichten_116125.htm) um zu erkennen, dass die Welt nicht wirklich säkular ist (bestenfalls im politischen Sinne und auch da würde ich zumindest ein schwaches Fragezeichen dahinter setzen) und die Studie der Bertelsmannstiftung erfasst nicht einmal alles, was Religionswissenschaftler als Religion ansehen würden. Zugleich werden magische Vorstellungen (Horoskope etc.) auch nicht abgefragt und allein die Begebenheit, dass in nahezu jeder Zeitschrift, Zeitung usw. Horoskope enthalten sind, verdeutlicht, dass auch hier zahlreiche Anhänger existieren (auch wenn ich erst einer Person im meinen Leben begegnet bin, die sich dazu bekannt hat…).

  4. Ach RPGnosis, darf ich vorstellen: Settembrini, der Umwerter der Werte. Weil er meist nicht verstanden wird, hier ein Tipp: Du musst dir solches DSA-Bashing eher vorstellen als Versuch, die monolithische deutsche Community zu zerstören und in einer pluralistischeren Form neu aufzubauen. Das sind eher politische und strategische Ziele, die so verfolgt werden sollen. Die Kritik ist nicht metaphysisch umfassend gedacht, sondern methodisch auf ein Ziel gerichtet.
    EDIT: ich wollte schon immer mal Settembrini erklären ;)

  5. Nur, dass inzwischen die echten Gurus, die Überblick über alles hatten, da von Bord sind und die 2+xte Generation selbst nicht mehr immer zu wissen scheint, was sie da grad warum machen… :)

    Ansonsten ist das aber mal wieder ein ungerechtfertigtes Vorurteil gegenüber der DSA-Community.

  6. ja stimmt guter Einwand ;) da sind ja Setting mit Regeln in einer Hand..

  7. Settembrini Says:

    Ihr habt was übersehen…nicht in der Geschichte aber bei DSA!!
    DSA hat das Redax-Meisterpiel INSBESONDERE was die metaphysischen Wahrheiten angeht. Und also ist DSA eine Art Mysterienkult inkl. Geheimer Oberer.

  8. Hi Whitelord,

    Ich habe nichts gegen ausführliche Antworten, da würde ich ja im Glashaus sitzen.

    Ich gehe mal gleich auf den Hauptpunkt ein

    (der andere Punkt, den ich sehen würde, wäre die Simonie, da würde ich einfach unterscheiden: einen kirchentheoretischen Begriff, wo es um Ämter UND Sakramenten (-> Magie) geht und seinen Ursprung und seine Ableitung bei der Legende des Simon, wo es eher nur um Magie geht und der heilige Geist der Christen von Simon als magische Kraft aufgefasst wird, die er haben will):

    Ich würde nicht sagen, dass meine These (nur) sei, Magie und Religion seien das Gleiche. Sie sind genausowenig das Gleiche, wie ein trivialliterarisches Werk und ein Klassiker das Gleiche sind. Beides ist Literatur, beides sind Bücher. Ähnlich wie bei Magie und Religion: beides besteht aus seltsamen Riten. Von außen sind die objektiv nicht unbedingt zu unterscheiden. Die Bücher müsste man erst aufschlagen und lesen und bei der Unterscheidung von Magie und Religion in einer Kultur müsste man in dieser Kultur aufgewachsen sein, damit die Unterscheidung natürlich wirkt, dass ein gewisses Ritual da gut sein soll, ein anders dort schlecht. In beiden Begriffen steckt eine unterschiedliche Bewertung, dadurch sind sie etwas anderes und genauso ist es mit Magie und Religion. Und das macht sie zu etwas sehr unterschiedlichem. Schließlich handelt es sich um eine Bewertung, die bisweilen aussagt, ob jemand zu den angesehendsten Personen eines Volkes gehört (Priester) oder als Scharlatan oder Häretiker verfolgt wird und evtl. um sein Leben bangen muss.

    „Zum einen ist wie bereits gesagt zu beobachten, dass Magie keineswegs zu allen Zeiten und erst Recht nicht in allen Gesellschaften als negativ gesehen wird.“

    Das stimmt. Aber die Gesellschaften sind weiter weg von uns, als die Antike. Zum Beispiel in der Archaik, die noch mehr Sword & Sorcery ist, als die bereits ethischer geprägte Klassik und spätere Epochen. In der Archaik wird die Macht und Tat an sich geschätzt. Da sind die Helden keine tragischen, ethischen Figuren. Da ist das Modell eher Iason der das Vlies raubt. Spannende Geschichten. Man könnte nun sagen, hier wird auch unbefangener mit Magie umgegangen. Man könnte allerdings auch sagen, hier fallen Religion und Magie stärker zusammen.

    Oder die Gesellschaften/Zeiten, die du meinst sind näher an uns dran. Seit der Romantik wird Magie positiv aufgeladen, seit der Neuzeit wird das Christentum und damit Religion schlechthin gegen die Aufklärung ausgespielt. Aber seit diesen Zeiten wird Religion und Magie auch zunehmend symbolisch gesehen und nicht mehr metaphysisch. Es handelt sich nicht um Magie, der David Copperfield ist kein Magier. Unsere Welt ist nicht mehr magisch, sondern säkular. Ich komme da sofort noch einmal drauf zurück.

    Denn die eigentliche Frage ist: was meinst du dann überhaupt mit Magie? Ich weiss nur, dass du meine Definition (bzw. die von Lucke) nicht teilst. Aber was der obige Satz für dich oder deiner Meinung nach überhaupt meint, ist für mich nicht klar.

    Wie gesagt: ich würde prüfen, ob die Magie, die du da erwähnst, nicht vielleicht doch Religion ist? Und wenn nicht: Wirklich überzeugen würde mich, wenn du ein Beispiel findest, wo Religion negativ gesehen wird und Magie positiv. Ich kann dir schon mal jetzt sagen, dass ich ganz stark davon ausgehe, dass das erst mit Romantik und spezieller dem Okkultismus im 19. Jhd. aufkommt, den man als provokative Gegenaufklärung in einer Tradition mit so gesellschaftskritischen Haltunge wie bei de Sade sehen kann. Aber da sind Magie und Religion schon längst zu kulturellen Symbolen geworden und die Provokation wird Selbstzweck und mit einem Pluralismus immer mehr gesellschaftsfähig.

    „Zum anderen ist in einigen Religionen Magie ein fester Bestandteil der Welterklärung. Sei dies nun im nordischen Kulturkreis oder in noch heute praktizierten Religionen wie Voodoo.“

    Basierend auch auf der obigen Frage, stellt sich auch hier die Frage, was Magie denn nun überhaupt bedeuten soll, wenn man annimmt, dass sie nicht mit Religion als natürliche Wertung einer Haltung zum Übernatürlichen anzeigt. Genau genommen ist diese Passage für mich eine sinnlose Aussage. Die einzige Weise das zu interpretieren ist es als christliche Aussage zu sehen, die etwas anderes erst einmal als Religion akzeptiert, aber zugleich dessen Riten als Magie abwertet. Hier wird mit der Annahme von wahren und falschen Religionen gearbeitet. Und letztere sind wieder magisch. Das hilft nicht weiter. Zum einen nimmt es genau die Bewertungen auf, die du eigentlich raushaben willst, macht sie aber begrifflich nicht klar und das ganze unnötig kompliziert und tautologisch. (Die falsche Religion ist Magie.)

    Das Interessante ist nun, dass ich all deine Zitate komplett unterschreiben kann. Aber ich sehe sie nicht als Gegenargumente.

    “Magic refers to all efforts to manipulate or compel supernatural forces without reference to a God or Gods or to matters of ultimate meaning.” – Rodney Stark (Religionssoziologe)

    Dies impliziert schon eine Abwertung von Magie – denn sie sieht das Übernatürliche als Selbstzweck und reine Machtquelle, nicht mit den klassischen und Gesellschaftsintegrierenden Sinnbezügen und ethischen Implikationen.

    Das ist komplett kompatibel zu meinen Quellen und meiner Deutung:

    „Das Böse [der Magie] wird dabei anhand des Verhältnisses zu den übernatürlichen Entitäten und der oben genannten dynamis festgemacht. Dem Zauberer wird vorgeworfen, dass er versucht, die Mächte auszunutzen […]. Hier liegt die besondere Gottlosigkeit des Magiers.“

    und auch der Satz geht nicht nur ein wenig in die Richtung, sondern ist komplett kompatibel. Ich kann ihn 100%ig unterschreiben:

    “Der Mystiker sucht Gott – der Magier nur das Göttliche”. Mystiker wäre hier als Religiöser gemeint, Mann Gottes, so wie Prophet. Das sind alles keine Magier im engeren und schlechteren Sinne.

  9. Hi craulabesh,

    ich habe zwar Theologie und Geschichte studiert, würde mich jedoch in dem Gebiet zweifelsfrei auch nicht als Experte bezeichnen. Momentan arebtie ich jedoch zum Thema Hexerverfolgung, so dass das Thema Zauberei wieder mehr in meinen Fokus gerückt ist:

    Zu,,,

    2, Ich glaube unser größter Unterschied liegt eher darin, dass du Magie und Religion als das Gleiche bezeichnest, von dem ersteres negativ und zweiteres in Gesellschaften positiv aufgefasst wird. Zum einen ist wie bereits gesagt zu beobachten, dass Magie keineswegs zu allen Zeiten und erst Recht nicht in allen Gesellschaften als negativ gesehen wird. Mag dies vielleicht für die Spätantike in größeren Räumen zutreffen, sollte man darauf jedoch keine allgemeine Theorie ableiten. Zum anderen ist in einigen Religionen Magie ein fester Bestandtteil der Welterklärung. Sei dies nun im nordischen Kulturkreis oder in noch heute praktizierten Religionen wie Voodoo. Auf DSA bezogen würden solche Religionen eine schamanistische Vorstellung hinsichtlich des Verhältnisses von Religion und Magie vertreten.

    Dennoch trift dies natürlich nicht auf alle Religionen zu. Genügend Religion, so z.B. das Christentum trennen sehr klar zwischen Zauberei und Glaube. Auch wenn die Trennung nicht immer leicht zu ziehen ist, da gerade im Volksglaube häufig Überschneidungen zu finden sind, sind doch wesentliche Unterschiede zu beobachten, z.B. hinsichtlich der „Zielsetzung“ und der „Funktionsweise“. Zwei Zitate, die es vielleicht etwas klarer machen:

    „Magic refers to all efforts to manipulate or compel supernatural forces without reference to a God or Gods or to matters of ultimate meaning.“ – Rodney Stark (Religionssoziologe)

    In die gleiche Richtung, doch weitaus ungenauer zielt das nächste Zitat ab – dessen Ursprung ich leider vergessen habe. Es geht ein wenig in die Richtung des von dir im Beitrag aufgeworfenen Verhältnis von Magie und Hybris:

    „Der Mystiker sucht Gott – der Magier nur das Göttliche“.

    3. Zu allererst – hier hast du etwas falsch gelesen ;). Die frühe Kirche ging durchaus von der Existenz und „Boshaftigkeit“ von Magie aus – man denke nur an die Ausführung von Augustin (übrigends ja genau im 4. Jahrhundert). Ich sprach jedoch von der Kirche des Frühmittelalters, welche Magie nur noch für eine bestenfalls teuflische Illusion hielt, jedoch ohne Wirkkraft.

    Inwiefern Jesus von Nazareth von seinen Zeitgenossen als Magier gesehen wurde wissen wir nicht. Mir sind derartige anthropolgische Ansätze vertraut, überzeugt haben sie mich aber noch nie. Der Grund dafür ist einfach, ein Blick in die jüdische Kultur jener Zeit zeigt, dass sie zwar durchaus mit Wundertätern vertraut waren – Zauberei jedoch ein „No-go“ für die gläubigen Juden war. Als Beispiel sei hier Honi der Kreizzieher genannt (http://en.wikipedia.org/wiki/Honi_ha-M'agel), welcher trotz Wunder in den Verdacht geriet Zauberei betrieben zu haben und nur durch Führsprecher von diesem Verdacht freikam und somit einer Steinigung entging. Insofern ist es unwahrscheinlich das Jesus als Magier gesehen wurde, denn auch der von dir erwähnte Simon (über den nur sehr wenig bekannt ist) gab sich den Quellen nach nicht als Magier zu erkennen. Zudem ist der Vorwurf der gegenüber von Simon in der Apostelgeschichte formuliert wird nicht der, dass er ursprünglich Zauberei betrieben hatte, sondern dass er dachte das Reich Gottes (Βασιλεία τοῦ Θεοῦ) und seine Gaben (in diesem Fall der Heilige Geist) mit Geld erwerben zu können. Der Begriff der Simonie (ein Begriff des Kirchenrechts) meint somit auch nicht: Magie mit Geld erwerben. Er meint den Erwerb von geistlichen/kirchlichen Ämtern mit Geld – im Falle Simons, der Versuch das Amt des Apostels mit Geld zu erlangen.

    Ich gestehe mich schuldig – ich konnte es nicht lassen ausführlicher zu antworten. Aber letztendlich bleibt es ein sehr sehr komplexes Thema, dem man im Rahmen eines Blogbeitrags zum Rollenspiel nicht wirklich gerecht werden kann. :)

    PS: Ich würde eine kriminelle Organisation wie Scientology – welche vom Verfassungsschutz nicht zu Unrecht beobachtet wird (hoffentlich nicht mit V-Männern :D ) – ungern als Religion bezeichnen, auch wenn sie in Amerika diese Bezeichnung zugesprochen bekommen hat – aber wer bekommt das da nicht….

  10. Danke für den Beitrag, Whitelord/Cloudfire.
    Ich freue mich, dass dein Beitrag so detailliert ist. Generell gebe ich dir natürlich Recht, keiner von uns war vor 2000 Jahren am Leben und Altertumsforschung ist auch in gewisser Weise spekulativ. Ich selbst bin kein Experte in dem Gebiet, habe mich aber ein wenig eingelesen und würde auch die Quellen nennen, falls dich das interessiert. Die wichtigste Quelle ist wie oben genannt Georg Luck: Arcana Mundi. Das kann man sich sogar aktuell runterladen.

    1. Ich denke hier haben wir es mit Begriffsdefinitionen („Ideologie“) und ausgeschmückten Formuliereungen („Preis der Wissenschaft“) zu tun, deshalb kann ich deine Position 100%ig nachvollziehen. Ich würde auch den Religionsbegriff sogar rausnehmen wollen, so wie ich das formuliere ist an der Stelle ein negativer Religionsbegriff gemeint, der eben auch auf gefährliche Isolation abzielt (vllt. z.B. Scientology).

    2. So wie ich das mitbekommen habe, ist gerade in den letzten Jahren viel herausgekommen, wie normale Griechen Flüche (defixiones) und Magie ständig im Alltag genutzt haben. Auch hier gilt t.w. Punkt 1: Magie ist in meinem ganzen Artikel in Bezug und Gegensatz zu Religion betrachtet (die auch allgegenwärtig war im altertümlichen Alltag): im Grunde handelt es sich um das Gleiche, das eine wird nur kritisch gesehen, das andere nicht. Ich würde einfach sagen: Die Runen würden die Griechen als Magie sehen, die Skandinavier als Religion. Aber ich habe mich eh mehr auf die Situation im antiken Griechenland gestützt.

    3. zu deiner Aussage, dass die frühe Kirche der Überzeugung ist, dass Magie nicht einmal existiert, und das erst wieder später aufkommt.

    Ich glaube hier haben wir unsere größte Differenz.

    Nach allem was ich weiss ist Magie typisch in der Antike, auch nach Christus. Jesus wird als Magier wahrgenommen, er exorziert und wirkt Wunder. In der Bibel selbst wird er natürlich als Heiland gesehen und wo ist da die Magie? Beim bösen Magier Simon, den typischen griechischen Magier. Dieser läuft durch die Weltgeschichte und sammelt alles an magischen Wissen was er in seine Hände kriegen kann (und was die Griechen seit 300 vor Christus in Alexandria zusammentragen), einfach nur aus der Überlegung heraus: es kann nicht schaden. Aber: er ist dadurch nicht ein Gläubiger einer ägyptisch-persisch-griechischen Universalreligion. Von ihm kommt der Begriff Simonie: Magie für Geld zu verkaufen. Und da haben wir auch in der Bibel wieder unseren schlechten Magier – der sogar die Kraft der Apostel will, dem sie aber verwehrt wird. (http://de.wikipedia.org/wiki/Simon_Magus)

    Ich würde da einfach was aus Geord Luck: „Arcana Mundi“ zitieren:

    Im vierten Jahrhundert findet das Konzil von Laodikäa statt und hier sagen die Kirchenherren:

    ‘‘priests and clergy may not be sorcerers [magoi], enchanters [epaoidoi] or astrologers [mathematikoi] and must not make amulets [ phylakteria], which are poison for the soul.’’ (Arcana, S. 23)

    Meine Hauptquelle ist eigentlich folgende Stelle, in der Luck feststellt, dass im 4. Jahrhundert Kirche und römisches Staat ein Bündnis gegen Magie schließen (also nicht formell, sondern einfach aus der gemeinsamen Interessenslage ergibt sich das):

    „The full-scale persecution of magic by the state begins in the fourth century A.D. The emperors clearly felt uncomfortable at the thought that astrologers might be able to predict their death accurately and that magicians might put a curse on them. At times even the wearing of an amulet was considered a crime. In a parallel movement, the Church now also condemned witchcraft, but for different reasons.“ (Arcana, S. 77)

    Die Gründe der Kirche werden dann genannt: sie etabliert sich nun als einzige Schutzmacht gegen Magie, als metaphysische Polizei sozusagen. Damit entwickelt sie ein Monopol und wird sehr mächtig.

  11. Guter Artikel!

    Einige Anmerkungne hätte ich jedoch (man mag mir gerne philosophisch-theologische Erbsenzählerei vorwerfen):

    1. „Der Preis der Wissenschaft ist ihre Eingeschränktheit und was sich als All-Erklärung ausgibt ist Religion oder Ideologie.“

    Das Wissenschaft eingeschränkt ist, ist ihrer Methodik und Zielsetzung geschuldet. Es handelt sich somit nicht um eine Mangelerscheinung oder einen „Preis“ der gezahlt werden muss, sondern um eine selbstgewählte, logische BEschränkung. Wissenschaft hatte nie das Ziel und die MIttel alles erklären zu können.

    Keineswegs alle Religion und Ideologie postulieren eine All-Erklärung. Um ehrlich zu sein, ich kenne nicht einmal eine Religion die All-Erklärungen postuliert. Am deutlichsten wird dies, wenn man sich z.B. pagane Religionen anschaut, welche in ihren mythologischen Erzählungen mehr Fragen stellen und offen lassen, als sie zu erklären.

    2. „Für die Menschen damals war die Welt magisch, aber dennoch war Magie etwas schlechtes, und der Magier war nicht angesehen.“

    Das stimmt so nicht. Zum einen war nicht zwangsläufig die gesamte Welt magisch: So ist es erst einmal auch historisch sehr schwer festzustellen, was der durchschnittliche „Bürger“ einer Epoche nun wirklich geglaubt hat – Äußerungen in dieser Richtung sollte somit mit Bedacht gewählt werden.

    Zum anderen war Magie nicht in allen Kulturkreisen und auch nicht zu allen Zeiten etwas negativ. Man denke nur an die magische Runenschrift der skandinavischen Länder, welche auf den Gott Odin zurückgeführt wurde. Oder zahlreiche magsiche Anrufungen des antiken Ägyptens die maßgeblich auf der Gnade der Götter basieren, was in einer Kultur die epochenweise keine Unterschiede zwischen Priestern und Zauberern trift, auch nicht verwundert.

    3. „Ab den 3 Jahrhundert nach Christus kommt dann der Alleinvertretungsanspruch der Kirche, die Magie nicht abstreitet, sondern als was böses begreift, für das sich die Kirche als das einzige Schutzmittel inszeniert.“

    Hui, das ist ein besonderes Fass. Erstens ist die Zauberei wie bereits erwähnt in den einzelnen Epochen sehr unterschiedlich behandelt wurden. Dies gilt auch für das römische Imperium. Während die 12- Tafel-Gesetze Roms (450 v. Chr.) nur Schadenszauberei (Qui malum carmen incantassi) unter Strafe stellen, werden – sofern man Livius trauen mag – im 2. Jahrhundert v. Chr. ca. 5000 Römer aufgrund von Zauberei hingerichtet. Im Jahr 33. v. Chr. werden sämtliche Zaubere und „Nekromanten“ vom Senat aus Rom verbannt.

    Kurz: Magie als etwas böse zu begreifen gibt es immer wieder, in allen Epochen. Aber…

    …eben immerwieder und nicht durchgängig. So ist die Kirche (nicht die „weltliche Macht“ des Früh- und Hochmittelalters z.B. der Überzeugung das Zauberei nicht einmal existiert, sondern bestenfalls eine teuflische Illusion ist, der man am besten wenig Aufmerksamkeit schenkt und „Betroffene“ in die Seelsorge schickt. Erst im 15. Jahrhundert ändert sich das kirchliche Bild hinsichtlich der Zauberei wieder massiv.

    Es ist etwas lang geworden und soll auch nicht als Frontalangriff verstanden werden. Mir ist durchaus bewusst, dass das Thema Magie und Religion (und Wissenschaft) sehr, sehr komplex ist und bedauerlicher Weise immer irgendetwas über Bord geht, wenn man es herunterbrechen muss ;). Dennoch musste ich die paar Punkte einfach anmerken.

    Fand den Artikel im Großen und Ganzen aber sehr interessant (juhu Philosophie!) und habe mich sehr über den wissenschaftstheoretischen Anfang gefreut. :)

    Gruß
    Whitelord aka Cloudfire

  12. Hi Ingo,
    Danke für deine Rückmeldung, ich freue mich, dass das hier irgendwie Sinn macht für dich ;) Manchmal ist man ja schon so drin und solche Themen sind auch manchmal etwas Persönliches. Aber ich finde gerade die wissenschaftliche Seite sehr interessant, mir hat sie geholfen bei diesen Fragen. Andererseits soll es ja viele Christen geben, die im Theologie-Studium eine Krise bekommen. Ja stimmt, ich hab im Bachelor Literaturwissenschaft studiert und im Master Medienwissenschaft. In Kontakt gekommen bin ich mit diesen Dingen an der Uni – aber das ist kein Muss, sich mit sowas auseinanderzusetzen, auch da stehen die Leute unterschiedlich dazu. Das geschilderte sind ja sehr generelle Positionen – und die werden nicht immer gerne gesehen (gerade wer sich wenig damit beschäftigt hat, oder eine rein naturwissenschaftliche Definition hat, hält bereits sowas für unwissenschaftlich), es ist halt auch nicht immer Thema bei jedem, viele Wissenschaftler machen ja nur empirische Forschung oder spezialisieren sich extrem.

    Den Solipsismus meine ich eigentlich nicht, weil ich glaube, dass er mehr ein theoretischer, interessanter Gedanke ist, aber nur in Extremfällen gelebt wird. Und es gibt ja auch viele interessante Gedanken, aber dadurch sind sie ja nicht gleich plausibel. Ich denke für die allermeisten Menschen ist der Gedanke natürlich, dass es andere Menschen gibt.

    Ehrlich gesagt, zielte das Beispiel auf DSA ab, leider kann ich zu den anderen Beispielen nichts sagen, weil ich die nicht ausprobiert habe. Bei DSA weiß ein Geweihter dass es die Götter gibt.

    Damit ist er etwas, dass es in unserer Welt nicht gibt. Ein Priester in unserer Welt weiß nicht, ob es Gott gibt. Man kann es nicht wissen. Er kann es nur glauben oder sich darüber täuschen es zu wissen. Einen zweifelnden Priester kann man vielleicht nicht mehr spielen in der Welt von DSA.

    Die Frage ist, glaube ich, nicht, ob nur die Spielwelt oder auch die soziale Welt simuliert wird. Es kann auch sehr verfremdend wirken, wenn nun Regeln für die soziale Welt aufgestellt werden, weil wir in unserer Welt eben diese klaren Regeln nicht haben.

    „die die Auswirkungen der Metaphysik/Magie nicht nur spielmechanisch (Zahlen, Daten, Fakten) simulieren, sondern auch soziale, kulturelle und meinetwegen spirituelle Fragen spielerisch erörtern (oder simulieren).“

    Genau hier ist eine gute Formulierung, die weiterhilft: Ich glaube, dass in DSA eben keine Erörterung der Metaphysik, diese Jahrtausende alte Tradition in unserer Welt, nicht stattfinden kann – gerade weil sie „simuliert“ ist, in dem Sinne: dass es klare Regeln gibt, wer die Götter sind und was sie wollen. Philosophen, Weise, Kulturen, Religionen und auch heute noch – all das kann dadurch nicht mehr stattfinden. Existenzielle Fragen, die die Menschen sich seit jeher stellen sind nicht mehr möglich. Das stört mich.

    Das Setting wird so auf eine gewisse Weise religioisiert, Religione angenommen und zugleich demystifiziert. In vielen Sword-&-Sorcery-Geschichten haben wir ja eine sympathische und unterhaltsame Ablehnung oder Kritik an Religion, das alles funktioniert dann nicht mehr. Wer bei DSA nicht an Praios glaubt muss wohl wahnsinnig sein und wird bei nächster Gelegenheit niedergeknüppelt.

    Wie man das löst, weiß ich nicht genau. Eine Möglichkeit wäre die Götterfrage völlig offen zu lassen. Eine andere Sache wäre mehrere Magiesysteme zu haben, aber keinen Überblick wie viele es gibt. Und auch diese seltsame Vorstellung (die aus D&D kommt) loszuwerden, dass der Glaube an die Götter ihnen metaphysische Macht verleiht, so dass sie mehr Wunder bewirken können. Glaube an Götter verleiht dem Glauben Macht, dass muss man nicht noch zusätzlich irgendwie mechanisch definieren.

    Im Moment haben wir viel Mechanistisches dazu, viele Regeln. Aber es wirkt nicht mehr wie etwas Wunderhaftes. Es müsste mehr Wunderhaftes rein, das Mechanistische vielleicht raus, oder zumindst klargemacht werden, dass es nicht alleine steht und alles wichtige zur Metaphysik erklärt.

    Ehrlich gesagt, weiß ich aber nicht, ob diese Gedanken sich direkt in Spielen umsetzen lassen. In meinem Dungeoncrawling im Hellenismus wirkt die T&T-Magie nur im Dungeon. Aber natürlich könnte ein todkranker Diadoche in einen Dungeon gehen wollen, um sich dort von einem T&T-Magier per Poor Baby heilen zu lassen. Aber damit soll die gesamte Welt und Überwelt nicht erklärt sein. Ob es Götter gibt oder die Dungeon-Unterwelten die wahre Unterwelt oder eine Zwischenwelt, das will ich alles nicht so genau klären. Aber ich spiele eh nur Dungeoncrawling, die restliche Welt ist bisher nur Potential. Die Chroniken der Engel hat damals vielleicht solche Fragen thematisiert auch in der Welt, wenn auch auf eine sehr düstere Art und Weise, aber auch da wollten alle Spieler, dass am Ende alles aufgeklärt wird. Ja warum eigentlich? Was wird denn in unserer Welt alles restlos aufgeklärt? Ich brauchte das nicht, ich fand es gut, dass Engel immer die metaphysische Unsicherheit gelassen hat.

  13. Danke für Deine Mühe!

    Puh. Ich muss erst einmal darüber nachdenken, aber solche Artikel sind auch ein Grund, warum Rollenspiele so großartig sind – zumindest in meinen Augen. Das (hoffentlich) endlose Spiel mit Ideen und Perspektiven und genau auf diesen Knopf drückt Dein Beitrag. Wie gesagt. Chapeau!

    Keine Ahnung, ob und inwieweit Du auf Solipsismus anspielst. Das sind recht komplexe philosophische Thesen, die ich, um ehrlich zu sein, nur begrenzt durchdringe.

    Ich bin kein ausgebildeter Philosoph/Sozialwissenschaftler. Paul Feyerabends Wissenschaftskritik ist mir ein Begriff, „Gödel, Escher, Bach“ hatte ich mal als Kind in der Hand, aber ein Experte ist definitiv etwas anderes. Ich möchte mich ein wenig mehr damit beschäftigen und darüber nachdenken.

    Nun mime ich ein wenig den Prometheus, und hole das Feuer ein wenig auf die Rollenspielwelt herunter.

    Beim Lesen hatte ich das Gefühl, dass Du als „Negativbeispiele“ (Steine des Anstoßes) besonders auf D&D, T&T (etc.) abzielst, die abgesehen von einigen Ausnahmen (z. B. Planescape) die Einbettung der Metaphysik vor allen Dingen „mechanistisch“ betreiben.

    Im Gegensatz dazu sehe ich Runequest, Legend of the 5 Rings und auch Warhammer FRP (subjektive Beispiele), die die Auswirkungen der Metaphysik/Magie nicht nur spielmechanisch (Zahlen, Daten, Fakten) simulieren, sondern auch soziale, kulturelle und meinetwegen spirituelle Fragen spielerisch erörtern (oder simulieren).

    Möglicherweise bin ich auf dem vollkommen falschen Dampfer, doch auf diese Weise versuche ich, mein Verständnis Deines Beitrags zu erden und einen praktischen Nutzen herauszuziehen.

    Treffe ich damit (ein wenig), was Du meinst?

    Du und Dein Nachbar, Herr RPGnosis, bringen meine grauen Zellen auf Trab. Gut so.

    Merci, für „diese(n) Spielstein(e)“.

    PS: Ich nehme an, Du bist „Geisteswissenschaftler“ im Wirklichen Leben (TM)?

  14. das Buch liegt auch öffentlich erhältlich auf nem Server von einer Kulturinstitution herum, der historiantigua.cl. Google hilft. Ich kann jetzt nur annehmen, dass das mit rechten Dingen zugeht.

  15. danke ihr beiden, freut mich, dass der Artikel auf Interesse stößt.

    ***********

    “Auch heute wissen wir, dass es mehr gibt als Wissenschaft erfassen kann oder anders formuliert: dass sich nicht alles wissenschaftlich erfassen lässt – auch wenn das zwischendurch ein wenig vergessen wurde. Der Preis der Wissenschaft ist ihre Eingeschränktheit und was sich als All-Erklärung ausgibt ist Religion oder Ideologie. ”

    Sowas kommt aus der Philosophie, Soziologie (Ideologiekritik) und Wissenschaftstheorie. Im Grunde ist es postmoderne Position, die eine Moderne kritisiert, die sich im 20. Jahrhundert noch absolut gesetzt hat und Wissenschaft mit Ideologie vermischt hat (Marxismus, Nationalsozialismus). Adornos Dialektik der Aufklärung wäre ein Werk, dass gut lesbar ist und unterhaltsam und das weit und breit erklärt, Derrida könnte man auch anführen oder Kants unerkennbares Ding an sich. Seit dem 20. Jahrhundert ist es die Begrenztheit der wissenschaftliche Methode Logik durch Gödel nachgewiesen. Sehr bekannt ist auch Humes Unterscheidung von Sein/Sollen und beliebt ist in Deutschland auch Karl Poppers Falsifikationismus. (http://de.wikipedia.org/wiki/Falsifikationismus)

    “Mein Punkt ist nun, dass mir einige Rollenspiele ziemlich unrealistisch erscheinen in ihrer Behandlung von Wissenschaft und Religion, gerade weil sie beide trennen, obwohl in ihnen wiederum Religion und Magie wie Wissenschaft funktioniert. Das ärgert mich sehr, weil Glaube wie in unserer Welt oft nicht mehr möglich ist.”

    Das ist ein schwieriger Punkt, ich hab auch schon beim Schreiben gemerkt, dass ich es nicht ganz auf den Punkt gebracht hatte. Ich versuche es nochmal, es sind aber einige Schritte und sie hängen auch noch ein wenig mit der letzten Frage zusammen:

    1. Ich finde Religion faszinierend. Ich bin nicht fundamentalistisch, sehe aber, dass Religion unsere Kultur geprägt hat. Ich finde das atheistische Bestrebungen wie von Richard Dawkins ideologisch sind und den vielleicht wichtigsten Punkt igonieren (den ich damals im Religionsunterricht gelernt habe):

    Die Existenz Gottes ist nicht beweisbar und nicht widerlegbar.

    Ganz kurz dazu: ein Mittel unseres Denkens ist die Logik, im Idealfall arbeitet sie mit Annahmen, die wir objektiv beobachten können. Der Konstruktivismus zeigt uns aber, dass wir keinen objektiven Zugang haben, nicht einmal zur materiellen Welt um uns herum. Farbe ist keine Eigenschaft eines Objekts, sie entsteht im Auge oder genauer im Gehirn durch Rezeptoren auf dem Auge. Andere Tiere (und auch Menschen) nehmen anders wahr. Zudem können wir den Zusammenhang zwischen Erscheinungen nicht objektiv sehen. Es ist bereits Interpretation ob eine Kausalität, ein Zusammenhang vorliegt, oder bestimmte Ereignisse Zufall sind. Wir können streng genommen, kaum beweisen, dass etwas nicht existiert, neben uns könnte ein Drache im Gebüsch liegen, einen Beweis gegen seine Existenz können wir nicht machen. Auch abstrakte Konzepte sind nicht so klar, wie sie scheinen. Die Worte haben keine natürliche Bedeutung an sich, eine Verständigung ist immer vorläufig, es gibt keine Methode festzustellen, ob der andere *wirklich* verstanden hat, was ich hoffe, dass er verstanden hat. Und auch Occams Rasiermesser wird meistens falsch verstanden: es sagt nicht aus, dass bei zwei Modellen, die das gleiche erklären (wann passiert so etwas schon?) das einfachere und praktischere Modell wahr ist – sondern, dass es verwendet werden soll, weil es praktischer ist.

    Gott ist per definition als etwas Metaphysisches gedacht, das nicht in dieser Welt ist (nicht wahrnehmbar). Er besteht nicht aus Atomen. Er ist mit unseren Sinnesorganen also nicht zu erkennen. Deswegen reicht die Macht unseres Denkens, unseres Argumentierens und unserer Wissenschaft nicht an solche Konzepte. Dieser Satz war der letzte vernünftige Satz auf dem Weg das Phänomen (was es ja nicht ist, weil Phänomen eine Erscheinung ist) Gott zu verstehen.

    Das interessante ist, dass das im ersten Gebot der monotheistischen Religionen enthalten ist: du sollst dir kein Bild machen von Gott.

    Ergänzung: weil du es nicht kannst.

    2. Rollenspiele versuchen Welt zu simulieren. Aber sie versuchen es mechanistisch. Dadurch schaffen sie eine Newton’sche Welt, in der alles in einfachen mathematischen Zusammenhängen existiert. Im gleichen Schritt machen sie die Welt komplett fremdartig und stören die Immersion der Spieler. Denn: einen solchen objektiven Zugang zur Welt gibt es nicht. Wir alle hier auf diesen Planeten haben keine Ahnung von der Welt um uns herum, wir haben uns in dieser Welt eine eigene Welt geschaffen, die menschliche Zivilisation, in der wir die Ressourcen und Gesetze der Natur gezielt einsetzen, mehr aber nicht.
    Spielmechanisch beschrieben ist unser Verhältnis zur Welt strategisch: wir wissen nicht viel und müssen uns unsere (auch subjektiven) Wahrheiten erarbeiten, wir müssen Informationen gewinnen.
    In den Spielen, die wir spielen ist das meistens nicht der Fall oder geht sehr schnell, weil die Regeln recht einfach sind.
    Problematisch wird es, wenn man nun eine romantische Fantasywelt erschaffen will mit Feen und Göttern. Die bekommen dann plötzlich Werte und Rollen in der Welt.

    Was eine solche Welt nicht schafft, ist das Lebensgefühl des Menschen in der Romantik zu beschreiben.

    Schlimm ist erst, dass dadurch seltsame nicht durchdachte Effekte entstehen, die teilweise einfach sehr subtil sind. Plötzlich soll es also wahre Erkenntnis geben? Plötzlich gibt es also faschistoid-militaristische Strömungen, die wirklich Recht haben (und nicht etwa sich bloß aus Unzufriedenheit heraus mit Gewalt Recht schaffen wollen)? Was auch nicht funktioniert ist der Glaube und schon gar nicht der Glaube als privater Bereich.

    Andererseits sind die Götter in diesen Rollenspielen vielleicht auch nicht Götter, sondern einfach nur mächtige Wesen. Aber auch so klappt es nicht, weil sehr mächtige Wesen vielleicht erst noch als Götter wahrgenommen werden, aber irgendwann als sehr mächtige Wesen. Kann man mit ihnen kommunizieren, sie austricksen, sie gegeneinander ausspielen, sie töten, und überhaupt: welches Interesse haben sie an der mickrigen Menschheit, wenn sie doch nur sehr mächtige Wesen sind? Dann müsste jedes Rollenspiel Cthulhu sein und die Wesen selbst kaum spielbar von einem menschlichen Spielleiter.

    All diese Dinge haben unsere Welt, unsere Zivilisation, unser Denken und uns geprägt, und da werden sie mit einem Wisch abgetan, ohne die Folgen zu bedenken.

    *
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    Das Problem ist, unsere Zivilisation mag vielleicht griechisch geprägt sein, aber die Begriffe haben wir alle nicht mehr. Gut zu erkennen, wenn man eine griechische Karte mit Originalbegriffen herstellen will, da kommt einen nicht mehr viel vertraut vor.

    Damals war auch noch einiges im Fluss und wenig allgemeinverbindlich definiert, das hat wohl zum Problem beigetragen. Internationale Konventionen sind im Hellenismus teilweise erst entstanden. Beim Rollenspiel habe ich auch erkannt, dass man da mehrere Fachmänner bräuchte, wenn man es wirklich richtig machen wollte, zumal ich kein Altgriechisch gelernt habe. Aber dann darf man nicht vergessen: es ist immer noch ein Spiel (und Hobby) und es ist ein Dungeoncrawl (!) und die Genauigkeit freut mich und macht Spaß, aber sie ist nicht wirklich 100%ig notwendig.

    dynamis, charis, arete in Georg Luck: „Arcana mundi : magic and the occult in the Greek and Roman worlds“, Seite 33, allgemein auch schon ab Seite 6.

    „The multitude of powers can, perhaps, be reduced to the notion of power, or mana. The Greek equivalents, found in Hellenistic texts, are dynamis ‘power’, charis ‘grace’, and arete ‘effectiveness’.“ S. 33

    „arete ‘superior quality, power, wonder’.“, S. 495.

  16. Kannst du mir eine Quelle für dynamis, charis und arete als „magische Kräfte“ geben? Die Bedeutung ist mir gerade für die arete ganz neu…

  17. Toller Artikel!
    Muss ich demnächst mit mehr Zeit nochmal lesen.

  18. Wow, ich bin beeindruckt. Respekt. Danke!

    Vieles belegst Du mit Referenzen (Links).

    „Auch heute wissen wir, dass es mehr gibt als Wissenschaft erfassen kann oder anders formuliert: dass sich nicht alles wissenschaftlich erfassen lässt – auch wenn das zwischendurch ein wenig vergessen wurde. Der Preis der Wissenschaft ist ihre Eingeschränktheit und was sich als All-Erklärung ausgibt ist Religion oder Ideologie. “

    Hier würde mich sehr interessieren, worauf Du Dich stützt.

    „Mein Punkt ist nun, dass mir einige Rollenspiele ziemlich unrealistisch erscheinen in ihrer Behandlung von Wissenschaft und Religion, gerade weil sie beide trennen, obwohl in ihnen wiederum Religion und Magie wie Wissenschaft funktioniert. Das ärgert mich sehr, weil Glaube wie in unserer Welt oft nicht mehr möglich ist.“

    Vielleicht verstehe ich Dich nicht richtig, wärst Du bereit, Deinen Ärger weiter auszuführen.

    Danke für diesen denkanstossenden Artikel. Klasse.

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